Schadensregulierung nach einem Autounfall: Ablauf & Wissenswertes
Ist die Schuldfrage nach einem Verkehrsunfall geklärt und die Höhe des Unfallschadens an den beteiligten Fahrzeugen bekannt, interessiert Autofahrer vor allem eines: Wer übernimmt die Kosten für die Unfallinstandsetzung, Gutachtenerstellung, Mietwagen oder den eingeschalteten Rechtsanwalt? Daneben gibt es jedoch eine Vielzahl weiterer Fragen, wie etwa: Welche Ansprüche hat der Geschädigte und wie kann er sich gegen eventuelle Kürzungen durch die gegnerische Versicherung wehren? Wie lange dauert die Abwicklung eines Schadenfalls und welche Besonderheiten sind nach einem technischen oder wirtschaftlichen Totalschaden zu beachten? Die wichtigsten Fragen rund um das Thema Schadenregulierung & -Abwicklung beantworten wir auf dieser Seite.
FAQ: Schadenregulierung Autounfall
- Die wichtigsten Schritte im Rahmen einer Unfallschadenregulierung
- Wer übernimmt die Reparaturkosten nach einem Verkehrsunfall?
- Welche Ansprüche hat der Geschädigte bei einem Autounfall?
- Fiktive Abrechnung: Unfallschaden auszahlen lassen
- Schadenregulierung bei einem Unfall mit einem Leasingfahrzeug
- Was tun im Fall eines Totalschadens nach einem Unfall?
Was sind die wichtigsten Schritte im Rahmen einer Unfallschadenregulierung?
Früher dauerte die Schadenregulierung nach einem Unfall oft Wochen oder gar Monate. Aufgrund der Digitalisierung sowie den gestiegenen Erwartungen der Versicherungsnehmer in Sachen Kundenservice ist die Zeit von der Schadenmeldung bis zur Regulierung durch die Kfz-Versicherung mittlerweile in vielen Fällen auf einige Tage gesunken.
1. Unfall bei der Versicherung melden
Der Prozess der Schadenregulierung beginnt mit der Meldung des Unfalls. Dies kann bei der eigenen bzw. gegnerischen Versicherung erfolgen, über Unfallmeldesysteme im Fahrzeug an den Automobilhersteller oder – laut DAT-Report in zwei Drittel der Fälle nach wie vor der klassische Weg – in der eigenen Kfz-Werkstatt. In der Regel setzen Kfz-Versicherung eine Frist von einer bis maximal zwei Wochen bis zum Eingang einer schriftlichen Schadenmeldung - verstreicht diese Zeit ungenutzt, kann die Regulierung abgelehnt werden.
2. Schadennummer durch die Versicherung erstellen
Mit Eingang der notwendigen Information wird dem Vorgang eine eindeutige Schadennummer zugeteilt, unter der der komplette Prozess abgewickelt wird.
3. Höhe der Reparaturkosten bestimmen
In einem nächsten Schritt wird die Höhe der Reparaturkosten festgestellt – entweder durch den Kostenvoranschlag einer Fachwerkstatt oder das Gutachten eines qualifizierten Kfz-Sachverständigen.
4. Reparaturkostenübernahmeerklärung durch die Kfz-Versicherung
Die Kfz-Versicherung prüft den vorgeschlagenen Instandsetzungsweg und -umfang und gibt eine Reparaturkostenübernahmeerklärung. Auf Basis dieser Bestätigung kann die Werkstatt mit der Arbeit beginnen und das Fahrzeug instandsetzen. In vielen Fällen unterschreibt der Geschädigte dem Reparaturbetrieb eine Abtretungserklärung, die es der Werkstatt ermöglicht, ihre Rechnung direkt beim Versicherer einzufordern.
Kommt es nach der Prüfung der Kostenaufstellung zu Kürzungsversuchen durch die Kfz-Versicherung, ist es ebenfalls an der Werkstatt, ihre Ansprüche ggf. mit anwaltlicher Unterstützung durchzusetzen.
5. Schadenreparatur in der Werkstatt & Auszahlung.
Mit dem Geldeingang beim Geschädigten bzw. seiner beauftragten Reparaturwerkstatt wird die Schadenakte geschlossen.
Wer übernimmt die Reparaturkosten nach einem Verkehrsunfall?
Laut DAT-Report bezahlt rund ein Drittel der Pkw-Halter seinen Unfallschaden selbst, in 67% der Fälle werden die Kosten ganz oder zumindest teilweise von einer Kfz-Versicherung übernommen. Begeht der Schädiger Unfallflucht oder ist nicht haftpflichtversichert, kann sich der Geschädigte an die Verkehrsopfer-Hilfe wenden.
Je nach Art des Vorfalls gibt es verschiedene Modelle der Kostenübernahme.
Wer trägt die Kosten bei selbstverschuldetem Autounfall?
Während bei einem Wildunfall, Elementar- oder Glasschaden die eigene Teilkaskoversicherung aktiv wird, bleibt der Autofahrer bei einem Alleinunfall in der Regel auf seinen Reparaturkosten sitzen, wenn er keine Vollkaskopolice für sein Fahrzeug abgeschlossen hat. In jedem Fall sollte sich der Halter mit seiner Kfz-Versicherung in Verbindung setzen und sich die Auswirkungen einer Kostenübernahme auf seinen Schadenfreiheitsrabatt und seine Versicherungsprämie berechnen lassen.
Wer trägt die Kosten bei unverschuldetem Autounfall?
Hat ein anderer Verkehrsteilnehmer den Autounfall verursacht und die Schuldfrage ist eindeutig, so ist dessen Kfz-Haftpflichtversicherung für die Kostenübernahme beim Geschädigten zuständig. Die Reparaturrechnung für das eigene Fahrzeug muss der Schädiger entweder selbst tragen oder seine Kasko-Versicherung in Anspruch nehmen. Da die Unfallkosten bereits nach einem Blechschaden schnell vier- oder fünfstellige Eurobeträge ausmachen können, ist die Kostenübernahme durch die gegnerische Kfz-Versicherung das gängigste Modell.
Wer trägt die Kosten bei ungeklärter Schuldfrage?
Ist unklar, wer den Unfall verursacht hat, wird die Schuldfrage gegebenenfalls unter Einschaltung von Verkehrsrechtsanwälten und auf Rekonstruktion solcher Unfälle spezialisierten Kfz-Sachverständigen vor Gericht geklärt. Die Beteiligten müssen die Kosten je nach Schiedsspruch des Richters anteilig tragen.
Welche Ansprüche hat der Geschädigte bei einem Autounfall?
Das Schadenersatzrecht folgt auch nach einem Verkehrsunfall den Grundsätzen des Bürgerlichen Gesetzbuches BGB §249. Dort heißt es, der Schädiger „hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.“ In anderen Worten: Der Geschädigte darf keinen finanziellen Nachteil erleiden und muss nach der Schadenregulierung so gestellt sein, als wäre der Unfall nie passiert. Dies gilt für das beschädigte Fahrzeug genauso wie für erlittene körperliche Verletzungen oder Vermögensschäden, zum Beispiel durch Verdienst- oder Nutzungsausfall.
Hinzu kommen weitere Kosten, die durch den Verkehrsunfall verursacht wurden, etwa durch den Einsatz einer Abschleppfirma, Kfz-Sachverständige, Rechtsanwälte, Gerichtsverhandlungen oder die Nutzung eines Mietwagens für die Dauer des Werkstattaufenthalts des eigenen Fahrzeugs.
Anwalt bei Verkehrsunfall: Vor allem im strittigen Fällen
Ist das Fahrzeug so stark beschädigt, dass sich eine Reparatur technisch oder wirtschaftlich nicht mehr lohnt, ist der komplette Zeitwert des Autos zu ersetzen, damit der Halter sich ein vergleichbares Modell anschaffen kann. Um die Durchsetzung der kompletten Schadenersatzansprüche des Geschädigten zu gewährleisten, ist vor allem in strittigen Fällen die Einschaltung eines erfahrenen Verkehrsrechtsanwalts anzuraten.
Fiktive Abrechnung: Unfallschaden auszahlen lassen
Sind die entstandenen Unfallschäden eher oberflächlich und aus technischer Sicht nichts gegen die Verkehrssicherheit des Unfallfahrzeuges einzuwenden, kann sich der Halter auch für die sogenannte fiktive Abrechnung entschieden. Er erhält dann von der gegnerischen Kfz-Haftpflicht-Versicherung die Kosten, die für die Reparatur seines Autos angefallen wären, lässt dieses jedoch nicht instandsetzen. Der Schadenersatz steht dem Fahrzeughalter ohne Auflagen zu, er kann das Geld also verwenden, wofür er möchte – er nimmt dafür den geringeren Wiederverkaufswert seines Autos in Kauf. Gerade bei älteren Modellen wird diese Regulierungsvariante genutzt, wenn sich der Besitzer an der optischen Beeinträchtigung nicht weiter stört.
Was wird bei einer fiktiven Abrechnung des Unfallschadens ausgezahlt?
Abgerechnet wird auf Basis eines Sachverständigen-Gutachtens oder dem Kostenvoranschlag einer Fachwerkstatt, erstattet wird auch der Aufwand für den Unfallgutachter, einen Verkehrsrechtsanwalts und teilweise den Nutzungsausfall. Nur die Mehrwertsteuer für die ausgewiesenen Reparaturkosten wird die gegnerische Versicherung abziehen, da diese bei einer nicht durchgeführten Instandsetzung nicht fällig wird.
Ist die fiktive Abrechnung bei einem wirtschaftlichen Totalschaden möglich?
Ja. Auch ein wirtschaftlicher Totalschaden kann nach geltendem Recht fiktiv abgerechnet werden, wenn der Halter sein Fahrzeug noch mindestens sechs Monate nach dem Unfall weiter nutzt.
Hat der Autofahrer die freie Werkstattwahl für die Unfallinstandsetzung?
Ob der Autofahrer die freie Werkstattwahl für die Instandsetzung eines Unfallschadens hängt, wie bei den meisten Fragen rund um den Unfallschaden von seiner Rolle ab:
Werkstattwahl bei unverschuldetem Autounfall
Bei einem unverschuldeten Autounfall kann der Geschädigte sich den Reparaturbetrieb aussuchen und somit auch entscheiden, ob er eine Markenwerkstatt oder freie Karosserie- und Lackierexperten mit der Instandsetzung beauftragt.
Werkstattwahl bei selbstverschuldetem Autounfall
Dies kann bei selbst verursachten Unfallschäden anders aussehen. Hat der Autofahrer eine Kaskopolice mit Werkstattbindung abgeschlossen und wurde dafür mit einem Nachlass in der Versicherungsprämie belohnt, hat seine Versicherungsgesellschaft das Weisungsrecht. Das heißt also, dass die KFZ-Versicherung bestimmt, in welcher ihrer Partnerwerkstätten das Unfallfahrzeug repariert wird. In vielen Fällen wird auch die komplette Abwicklung inklusive Hol- und Bringdienst sowie Stellung eines Ersatzwagens übernommen.
Gerade in der stressigen Situation direkt nach einem Verkehrsunfall sollten sich Autofahrer also rückversichern, welche Police sie abgeschlossen haben. Wird die Reparatur nicht in einem Partnerbetrieb durchgeführt, droht der Versicherungsnehmer auf der Werkstattrechnung sitzen zu bleiben. Zudem kann eine Vertragsstrafe die Folge sein.
Schadenregulierung bei einem Unfall mit einem Leasingfahrzeug
Das Leasing von Fahrzeugen erfreut sich mittlerweile auch bei Privatkunden immer größerer Beliebtheit: Mehr als jedes zweite Auto (55%) wurde 2022 laut leasingmarkt.de auf diesem Weg finanziert. Da der Pkw nicht dem Autofahrer, sondern dem Leasinggeber gehört, kommt nach einem Unfall oft Unsicherheit auf.
Als Eigentümer ist nach einem fremdverschuldeten Unfall eigentlich der Leasinggeber in der Pflicht Schadenersatzansprüche zu stellen. Viele Verträge sind jedoch so ausgestaltet, dass diese Rolle dem Leasingnehmer übertragen wird.
Hat der Leasingnehmer einen Unfallschaden am Leasingfahrzeug selbst verursacht, muss er bzw. seine Kaskoversicherung die entstandenen Kosten für Instandsetzung und Wertminderung übernehmen. Vergleichbar einer Kaskopolice mit Werkstattbindung kann der Leasinggeber auch ausgewählte Vertrags- oder Partnerwerkstätten vorgeben – in den meisten Fällen ist dies im Leasingvertrag als für die jeweilige Fahrzeugmarke autorisierte Fachwerkstatt festgelegt.
Wann ist die GAP-Deckung bei Leasingfahrzeugen sinnvoll?
Da die oft vorgeschriebene Vollkaskoversicherung jedoch meist nur den Wiederbeschaffungswert des verunfallten Fahrzeugs ersetzt, nicht aber den in vielen Fällen höheren Ablösewert, kann der Abschluss einer sogenannten GAP (engl.= Lücke)-Deckung sinnvoll sein, die die Differenz ausgleicht.
Was tun im Fall eines Totalschadens nach einem Unfall?
Wurde das Fahrzeug durch einen Unfall so stark beschädigt, dass eine Instandsetzung unmöglich ist, liegt ein technischer Totalschaden vor. Überschreiten die prognostizierten Instandsetzungskosten den (Wiederbeschaffungs-)Wert des Autos und damit die sogenannte 130%-Grenze deutlich, spricht man von einem wirtschaftlichen Totalschaden. Das heißt, dass die Anschaffung eines vergleichbaren Modells günstiger und deshalb vorzuziehen ist. Bis zu dieser Grenze kann das Fahrzeug fachgerecht auf Kosten der gegnerischen Kfz-Versicherung repariert werden, insofern der Geschädigte das Auto ein halbes Jahr weiter nutzt.
Wie läuft die Totalschadenabwicklung ab?
Entscheidet sich der Halter gegen eine Reparatur, wurde bisher in den meisten Fällen ein Kfz-Sachverständiger damit beauftragt, den Restwert des beschädigten Autos, den Wiederbeschaffungswert eines vergleichbaren Modells und die Reparaturkosten zu ermitteln. Das Unfallfahrzeug wurde über eine Restwertbörse an interessierte Aufkäufer veräußert, die Kfz-Versicherung bezahlte dem Geschädigten die Differenz zwischen Rest- und Wiederbeschaffungswert.
Mittlerweile hat sich auch in der Totalschadenabwicklung der Servicegedanke durchgesetzt. Die regulierende Kfz-Versicherung entschädigt den Fahrzeughalter in Höhe des kompletten Wiederbeschaffungswertes und kümmert sich im Anschluss selbst um die Vermarktung des Unfallwagens – dies war in der Vergangenheit Aufgabe des Geschädigten.